Das Europaparlament: Aufbau, Arbeitsweise, Wahlsystem
Im Frühjahr 2024 findet die Wahl zum Europaparlament statt. Auf dieser Seite werden der Aufbau und die Arbeitsweise des Europaparlaments beschrieben; außerdem gibt es Informationen über das Wahlsystem, die Wahlberechtigung sowie über die Aufstellungverfahren für die Bewerberinnen und Bewerber.
Aufbau und Arbeitsweise
-
Die Zusammensetzung und die Aufgaben des Europäischen Parlaments
„Das Europäische Parlament besteht aus Vertretern der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten", so der Gründungsvertrag von Rom aus dem Jahre 1957. Als vorerst letztes Land ist Kroation in die Europäischen Union aufgenommen worden. Das Vereinigte Königreich ist hingegen zum 31. Januar 2020 ausgetreten. Der Europäischen Union gehören nunmehr 27 Mitgliedstaaten an.
Im Juni 1979 wurden die Abgeordneten des Europäischen Parlaments erstmals in allgemeinen und direkten Wahlen bestimmt. Seitdem gehen die Bürger Europas regelmäßig alle fünf Jahre, letztmals im Mai 2019, zu den Wahlurnen, um ein gemeinsames Parlament zu wählen. Für das Europaparlament wählen sie insgesamt 705 Abgeordnete. Die Abgeordneten teilen sich entsprechend der Bevölkerungszahl der Länder auf:
Land Zahl der Sitze Belgien 21 Bulgarien 17 Bundesrepublik Deutschland 96 Dänemark 14 Estland 7 Finnland 14 Frankreich 79 Griechenland 21 Irland 13 Italien 76 Kroatien 12 Lettland 8 Litauen 11 Luxemburg 6 Malta 6 Niederlande 29 Österreich 19 Polen 52 Portugal 21 Rumänien 33 Schweden 21 Slowakei 14 Slowenien 8 Spanien 59 Tschechische Republik 21 Ungarn 21 Zypern 6 Gesamt 705 Legitimiert in allgemeinen und direkten Wahlen hat das Europäische Parlament in der Folgezeit durch eine ganze Reihe von Verträgen zunehmende Befugnisse und wachsenden Einfluss auf die europäische Politik erhalten. Mit dem Lissabon-Vertrag erwuchs dem Europäischen Parlament zuletzt weitere Gestaltungsmöglichkeiten. Insbesondere erhielt das Parlament zusätzliche Gesetzgebungskompetenzen (z. B. Handelspolitik).
Im Wesentlichen werden im Europäischen Parlament drei Aufgaben wahrgenommen. Mit Ausnahme der Agrar- und Außenhandelspolitik ist es zusammen mit dem Ministerrat wichtigster Gesetzgeber. Das Parlament besitzt gemeinsam mit dem Ministerrat das Budgetrecht und hat das „letzte Wort“ über den Gesamthaushalt. Schließlich kontrolliert das Parlament die Kommission und den Rat. Dies beinhaltet auch die Zustimmung zur Benennung von Kommissionsmitgliedern.
-
So arbeitet das Europäische Parlament – das besondere Parlament
Das Europäische Parlament ist in vielerlei Hinsicht ein besonderes Parlament. 24 Amtssprachen kennzeichnen die Arbeit des Europäischen Parlaments und die Arbeitsorte verteilen sich auf drei europäische Länder. Sitz des Parlaments ist Straßburg. In Brüssel finden Ausschusssitzungen und Fraktionssitzungen statt und manchmal auch Plenarsitzungen, die oft nur ein, zwei Tage lang sind und im Sprachgebrauch der Parlamentarier "Mini-Sitzungen" genannt werden. Luxemburg ist der dritte Arbeitsort des Europäischen Parlaments. Dort befindet sich ein Teil des Generalsekretariats. Der andere Teil des Sekretariats ist in Brüssel untergebracht.
Das Europäische Parlament ist die einzige Institution der Europäischen Union, die öffentlich tagt und berät. Die Entschließungen, Stellungnahmen und Debatten des Parlaments werden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht.
-
Die Fraktionen des Europäischen Parlaments
Die große Mehrheit der Abgeordneten gehört einer Fraktion an. Eine Fraktion muss multinational sein und eine bestimmte Mindestzahl von Mitgliedern aus mehreren Mitgliedsländern umfassen. Nur wenige Mitglieder bleiben fraktionslos. Die meisten Fraktionen sind an politische Parteien gebunden - insgesamt sind mehr als 100 nationale Parteien vertreten -, die auf europäischer Ebene organisiert sind. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen.
Bevor Berichte der parlamentarischen Ausschüsse im Plenum diskutiert und abgestimmt werden, finden in den Arbeitskreisen der Fraktionen Erörterungen statt, häufig mit dem Ergebnis, dass Änderungsanträge im Plenum vorgelegt werden. Fraktionen spielen auch eine wichtige Rolle bei der Festlegung der Tagesordnung und der Auswahl der aktuellen Fragen für die Plenarsitzungen.
Im Plenarsaal sitzen die Abgeordneten nicht nach nationalen Delegationen, sondern nach ihrer parteipolitischen Zuordnung in Fraktionen getrennt. Derzeit gibt es sieben Fraktionen sowie einige fraktionslose Mitglieder. Die beiden größten Fraktionen sind die Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) und die Fraktion „Progressive Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament“.
Fraktionen 1. Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) 2. Progressive Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament 3. Renew Europe Group 4. Die Grünen / Europäische Freie Allianz 5. Fraktion Identität und Demokratie 6. Europäische Konservative und Reformisten 7. Vereinigte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke
Wahlsystem, Wahlvorschlagsträger und Wahlberechtigung
-
Wahl erfolgt nach nationalen Wahlgesetzen
Im Jahr 2024 werden die Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten der Europäischen
Union zur zehnten Direktwahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aufgerufen. Die Wahl zum Europäischen Parlament erfolgt nicht nach einem einheitlichen europäischen Wahlrecht, sondern nach nationalen Wahlgesetzen. Von den insgesamt 705 Abgeordneten, die für fünf Jahre gewählt werden, entfallen auf das Wahlgebiet der Bundesrepublik Deutschland 96 Abgeordnete, die nach den Grundsätzen einer allgemeinen, gleichen, unmittelbaren, geheimen und freien Wahl bestimmt werden. Im Folgenden werden überblickartig wichtige Elemente des Wahlverfahrens dargestellt. -
Wahlrechtsvoraussetzungen
In Bezug auf die Wahlberechtigtung erfolgte die einzige Änderung des Europawahlgesetzes für die anstehende Wahl der Abgeordneten für das Europäische Patrlament. Das „Wahlalter“ ist von der Vollendung des 18. Lebensjahres auf das 16. Lebensjahr gesenkt worden.
Aus diesem Grunde darf diese neue Wählergruppe bei der Aufstellung der Kandidaturen mitwirken und gewählt werden. Im Einzelnen:
Deutsche Staatsangehörige
An der Wahl zum Europäischen Parlament können alle Deutschen teilnehmen, die- das 16. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Wahl vollendet haben,
- seit mindestens drei Monaten in Deutschland oder einem übrigen Mitgliedstaat der Europäischen Union eine Wohnung innehaben oder sich sonst gewöhnlich in diesem Gebiet aufhalten und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.
- Letzteres trifft zu, wenn eine Person das Wahlrecht infolge Richterspruchs nicht mehr besitzt.
Damit der Wahlberechtigte sein Wahlrecht ausüben kann, muss er entweder in das Wählerverzeichnis eingetragen sein oder einen Wahlschein besitzen. In das Wählerverzeichnis werden automatisch alle Wahlberechtigten eingetragen, die am 42. Tag vor der Wahl bei der Meldebehörde einer Gemeinde mit einer Hauptwohnung gemeldet sind. Alle übrigen Wahlberechtigten, insbesondere Personen, die sich gewöhnlich im Wahlgebiet aufhalten oder in einem übrigen Mitgliedstaat der Europäischen Union leben, müssen schriftlich bis spätestens zum 21. Tag vor der Wahl bei der zuständigen Gemeinde die Eintragung in das Wählerverzeichnis beantragen. Zum Ausschluss einer unberechtigten oder mehrfachen Stimmabgabe müssen im Ausland lebende Deutsche eine entsprechende Versicherung an Eides statt abgeben. Die Wahlberechtigten können auch unter bestimmten Voraussetzungen einen Wahlschein bei ihrer Gemeindeverwaltung beantragen. Dies kann noch bis zwei Tage vor der Wahl, bis 18 Uhr, in Ausnahmefällen (plötzlich nachgewiesene Erkrankung) sogar noch am Wahltag, bis 15 Uhr, erfolgen.
EU- Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten
Ausländische EU-Bürger können ihr Wahlrecht in ihrem Herkunftsland oder in ihrem Aufenthaltsstaat ausüben.Wahlberechtigt sind in der Bundesrepublik Deutschland alle hier gemeldeten oder sich aufhaltenden Unionsbürger, die am Wahltag
- das 16. Lebensjahr vollendet haben,
- seit mindestens drei Monaten im Wahlgebiet oder in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Wohnung innehaben oder sich hier gewöhnlich aufhalten und
- nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.
Neben den auch für Deutsche geltenden Ausschlussgründen besitzen ausländische EU-Bürger kein Wahlrecht, wenn sie infolge einer zivil- oder strafrechtlichen Einzelfallentscheidung ihres Herkunftslandes zum Europäischen Parlament nicht wählen
dürfen. Es ist an Eides statt zu versichern, dass ein entsprechender Ausschlussgrund nicht vorliegt.Zur Umsetzung ihres Wahlrechts in der Bundesrepublik Deutschland haben ausländische EU-Bürger bis zum 21. Tag vor der Wahl bei ihrer Gemeindeverwaltung schriftlich einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis zu stellen. Dies ist entbehrlich, wenn sie bereits zur Europawahl am 13. Juni 1999 oder einer späteren Wahl antragsgemäß in das Wählerverzeichnis eingetragen wurden. Die Gemeindebehörde hat in diesen Fällen von Amts wegen eine Aufnahme in das Wählerverzeichnis vorzunehmen.
Möchte der in das Wählerverzeichnis eingetragene ausländische EU-Bürger wieder in
seinem Herkunftsland wählen, dann hat er spätestens bis zum 21. Tag vor der Wahl
einen Antrag auf Streichung aus dem Wählerverzeichnis bei der Gemeindebehörde zu stellen.EU-Bürger, die nach einem Wegzug ins Ausland zwischenzeitlich (wieder) in die
Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind, müssen zur Ausübung ihres Wahlrechts in der Bundesrepublik Deutschland einen erneuten Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen.Im Übrigen gelten die weiteren Ausübungsregelungen (z.B. Wählen mit Wahlschein) entsprechend.
-
Parteien und sonstige politische Vereinigungen als Wahlvorschlagsträger
Die Wählerinnen und Wähler können bei der Wahl zum Europäischen Parlament eine Stimme vergeben. Mit ihr entscheiden sie sich für einen hinsichtlich der Personen und ihrer Reihenfolge vorgegebenen Listenwahlvorschlag. Parteien im Sinne des Parteiengesetzes und sonstige politische Vereinigungen besitzen das Recht, einen Wahlvorschlag einzureichen. Unter sonstigen politischen Vereinigungen sind Zusammenschlüsse von deutschen und ausländischen Parteien, supranationale Vereinigungen auf europäischer Ebene oder aus Anlass der Direktwahl gegründete Wählervereinigungen zu verstehen.
Grundvoraussetzung für ihre Anerkennung ist die Absicht einer Teilnahme an der
politischen Willensbildung und einer Mitwirkung in den Volksvertretungen.Die Wahlvorschlagsträger dürfen Listen für ein Bundesland und gemeinsame Listen für alle Länder einzureichen (§ 11 Absatz 1 Europawahlgesetz).
-
Aufstellungsverfahren für Bewerber nach demokratischen Regeln
Bei der Wahl der Bewerber für die jeweilige Liste ist eine Reihe von unabdingbaren demokratischen Verfahrensregeln einzuhalten. So muss die Wahl geheim erfolgen. Alle wahlberechtigten Parteimitglieder (ab Vollendung des 16. Lebensjahres zum Zeitpunkt der Aufstellung) müssen auf die Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten Einfluss nehmen können. Folglich sind die Bewerber entweder durch eine Mitgliederversammlung oder durch eine allgemeine bzw. besondere Vertreterversammlung, deren Delegierten ebenfalls aufgrund einer geheimen Wahl der Mitglieder bestimmt wurden, zu wählen.
Jedes Parteimitglied hat dabei in der Versammlung das Recht, einen Kandidaten zur Wahl vorzuschlagen. Den Bewerbern ist von der Versammlung die Möglichkeit einzuräumen, sich und ihr Programm in angemessener Zeit vorzustellen.Neben jedem Bewerber kann - für den Fall seines Ausscheidens - ein nach demokratischen Regeln zu wählender Ersatzbewerber aufgeführt werden. Der Bewerber kann nur für einen Wahlvorschlag aufgestellt werden. Es besteht allerdings die Möglichkeit, auch als Ersatzbewerber für eine Liste oder für zwei unterschiedliche Landeslisten einer Partei oder sonstigen Vereinigung zu kandidieren. Wählbar (ab Vollendung des 16. Lebensjahres zum Zeitpunkt der Wahl) sind grundsätzlich alle Wahlberechtigten und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossenen Personen.
Weitere Informationen für Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber bzgl. der Teilnahme an der Europawahl finden Sie im Internetangebot des Bundeswahlleiters unter
https://www.bundeswahlleiter.de/europawahlen/2024/html.Unabhängig vom Wahltermin dürfen die Wahlen der Vertreterinnen und Vertreter für die Vertreterversammlungen nicht früher als 12 Monate, die Wahlen der Bewerberinnen und Bewerber nicht früher als neun Monate vor Beginn des Jahres durchgeführt werden, in dem die Wahl des Europäischen Parlamentes ansteht (§ 10 Absatz 3 Satz 4 Europawahlgesetz). Bezogen auf die Europawahl 2024 können also frühestens seit dem 1. Januar 2023 die innerparteilichen Wahlen der Vertreterinnen und Vertreter für die Vertreterversammlungen und ab dem 1. April 2023 die Wahlen der Bewerberinnen und Bewerber durchgeführt werden.
-
Voraussetzungen für die Zulassung von Wahlvorschlagsträgern
Die Wahlvorschlagsträger können sich mit einer Bundesliste oder Landeslisten dem Votum der Wählerinnen und Wähler stellen. Dies entscheidet die Partei oder die politische Vereinigung eigenverantwortlich. Tritt eine Partei in mehreren Bundesländern mit jeweils einer Liste an, werden die an sie vergebenen Stimmen auf Bundesebene addiert. Alle Listen sind beim Bundeswahlleiter spätestens am 83. Tag vor der Wahl bis 18 Uhr schriftlich einzureichen.
Neben den formellen Voraussetzungen für eine Zulassung des Wahlvorschlags durch den Bundeswahlausschuss müssen die Wahlvorschlagsträger, die nicht im Europaparlament, im Deutschen Bundestag oder in einem Landtag seit der letzten Wahl aufgrund eigener Wahlvorschläge ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind, für jede Landesliste 2 000 Unterstützungsunterschriften und für die Bundesliste 4.000 Unterschriften vorlegen. Unterschriftsbefugt sind alle zum Zeitpunkt der persönlichen und handschriftlichen Unterschriftsleistung Wahlberechtigten (also ab dem 16. Lebensjahr).
-
Sitzverteilung nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung
Die Verteilung der Sitze erfolgt nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers. An dem Sitzverteilungsverfahren nehmen alle zugelassenen Wahlvorschlagsträger teil, die mindestens drei Prozent der gültigen Stimmen erzielt haben – so der Wortlaut von § 2 Abs. 7 des Europawahlgesetzes. Die Verfassungsmäßigkeit der Sperrklausel wurde allerdings vom Bundesverfassungsgericht inzwischen als mit Artikel 21 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig festgestellt (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2014 – 2 BvE 2/13 u.a., 2 BvR 2220/13 u.a.).
Für die Berechnung wird zunächst ein Zuteilungsdivisor durch Teilung der Gesamtzahl der für die an der Verteilung beteiligten Parteien oder sonstigen politischen Vereinigungen abgegebenen Stimmen durch die Zahl der zu vergebenden Sitze ermittelt.
Anhand dieses Zuteilungsdivisors erfolgt schließlich die Verteilung der Sitze, indem die von jedem Wahlvorschlagsträger erhaltene Stimmenzahl durch den Zuteilungsdivisor dividiert und ggf. nach festgelegten Regeln gerundet wird. Stimmt die Summe der damit für die einzelnen Listen ermittelten und gerundeten Sitzzahlen mit der Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze nicht überein, so muss ein zutreffender neuer Zuteilungsdivisor ermittelt werden. Dies geschieht, indem dieser, falls aufgrund des zunächst verwendeten Zuteilungsdivisors zu viele Sitze vergeben wurden, heraufgesetzt oder, falls zu wenige Sitze vergeben wurden, herabgesetzt wird.